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    1. Einleitung
    2. Grundlegende Architektur industrieller Rechnersysteme
    3. Hardwarekomponenten im industriellen Umfeld
    4. Industrielle Betriebssysteme und Software
    5. Kommunikationsprotokolle und Netzwerke
    6. Echtzeit-Datenverarbeitung in der Industrie
    7. Industrial Internet of Things (IIoT)
    8. Edge Computing in der industriellen Fertigung
    9. Cybersicherheit industrieller Systeme
    10. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in der Industrie
    11. Industrielle Rechnersysteme in Industrie 4.0
    12. Zukunftsperspektiven und Entwicklungstendenzen

 

Einleitung <a name=”einleitung”></a>

Industrielle Rechnersysteme bilden das technologische Rückgrat moderner Fertigungsanlagen, Automatisierungsprozesse und Produktionsumgebungen. Im Gegensatz zu kommerziellen Computersystemen sind industrielle Rechnersysteme speziell für den Einsatz unter anspruchsvollen Bedingungen konzipiert – sie müssen extremen Temperaturen, Vibrationen, Staub und anderen umweltbedingten Herausforderungen standhalten, während sie gleichzeitig höchste Zuverlässigkeit und Präzision bieten.

Die Entwicklung industrieller Rechnersysteme hat in den letzten Jahrzehnten eine bemerkenswerte Evolution durchlaufen, von einfachen speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) hin zu hochkomplexen, vernetzten Systemen, die als integraler Bestandteil der digitalen Transformation und Industrie 4.0 fungieren. Diese Systeme verbinden physische Produktionsanlagen mit digitalen Datenverarbeitungsprozessen und ermöglichen so eine bisher ungekannte Effizienz, Flexibilität und Innovationsfähigkeit in der industriellen Fertigung.

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über aktuelle industrielle Rechnersysteme, ihre Architektur, Anwendungen und Zukunftsperspektiven. Besonderes Augenmerk wird auf die speziellen Anforderungen des industriellen Umfelds, relevante Technologien und aufkommende Trends gelegt.

Grundlegende Architektur industrieller Rechnersysteme <a name=”grundlegende-architektur”></a>

Die Architektur industrieller Rechnersysteme unterscheidet sich grundlegend von der konventioneller IT-Systeme. Der primäre Unterschied liegt in der Ausrichtung auf deterministische Prozesssteuerung, Echtzeitfähigkeit und hohe Zuverlässigkeit. Eine typische Architektur lässt sich in mehrere Ebenen unterteilen:

Automatisierungspyramide

Die klassische Automatisierungspyramide stellt ein hierarchisches Modell dar, das die verschiedenen Ebenen industrieller Steuerungs- und Informationssysteme beschreibt:

  1. Feldebene: Hier befinden sich Sensoren, Aktoren und I/O-Module, die direkt mit dem physischen Prozess interagieren.
  2. Steuerungsebene: Diese Ebene umfasst speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS), Distributed Control Systems (DCS) und industrielle PCs, die Prozesse steuern und regeln.
  3. Prozessleitebene: Hier kommen SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition) zum Einsatz, die Überwachung und Visualisierung ermöglichen.
  4. Betriebsleitebene: Manufacturing Execution Systems (MES) koordinieren und optimieren Produktionsprozesse.
  5. Unternehmensebene: Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme verwalten die Geschäftsprozesse und Ressourcen des gesamten Unternehmens.

Mit dem Aufkommen von Industrie 4.0 und IIoT (Industrial Internet of Things) hat sich dieses hierarchische Modell jedoch zunehmend in Richtung einer vernetzten, dezentralen Struktur entwickelt, in der Daten horizontal über verschiedene Bereiche hinweg fließen können.

Grundkomponenten

Unabhängig von der spezifischen Implementierung umfassen industrielle Rechnersysteme typischerweise folgende Grundkomponenten:

  • Prozessoren/CPUs: Speziell für industrielle Anwendungen konzipiert, mit Fokus auf Zuverlässigkeit statt Höchstleistung
  • Speichersysteme: Robuste Flash-Speicher statt mechanischer Festplatten
  • Ein- und Ausgabemodule: Für die Kommunikation mit Sensoren und Aktoren
  • Kommunikationsschnittstellen: Für Feldbusse und industrielle Netzwerke
  • Gehäuse und Kühlung: Robuste, oftmals lüfterlose Designs für raue Umgebungen
  • Betriebssysteme: Echtzeit-Betriebssysteme oder speziell gehärtete Standardbetriebssysteme
  • Anwendungssoftware: Spezifische Steuerungs- und Überwachungsprogramme

Hardwarekomponenten im industriellen Umfeld <a name=”hardwarekomponenten”></a>

Industrielle Hardware unterscheidet sich erheblich von Standard-IT-Hardware. Die wichtigsten Merkmale sind:

Industrielle Computer

Industrielle Computer (IPCs) sind speziell für den Dauerbetrieb unter anspruchsvollen Bedingungen konzipiert. Sie zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Robuste Konstruktion: Stoß- und vibrationsfest, oftmals nach Militärstandards getestet
  • Erweiterte Temperaturbereiche: Typischerweise -40°C bis +85°C für Komponenten
  • Lüfterlose Kühlung: Durch Konvektion oder Wärmeleitbleche, um mechanische Ausfälle zu vermeiden
  • Langzeitverfügbarkeit: Produktlebenszyklen von 7-10 Jahren im Vergleich zu 1-2 Jahren bei kommerziellen Produkten
  • Hohe EMV-Verträglichkeit: Resistenz gegen elektromagnetische Störungen

Es existieren verschiedene Formfaktoren für industrielle Computer:

  • Schaltschrank-PCs: Für die Montage in 19″-Racks oder Schaltschränken
  • Panel-PCs: Mit integriertem Display für HMI-Anwendungen (Human-Machine Interface)
  • Box-PCs: Kompakte, robuste Systeme für beengte Räume
  • Embedded-Systeme: Hochintegrierte Miniaturcomputer für spezifische Anwendungen

Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS)

Speicherprogrammierbare Steuerungen (international auch als PLC – Programmable Logic Controller – bekannt) sind spezialisierte Steuerungscomputer für die Automatisierungstechnik. Ihre Hauptmerkmale sind:

  • Deterministische Echtzeitfähigkeit: Garantierte Reaktionszeiten im Millisekundenbereich
  • Zyklische Programmabarbeitung: Kontinuierliches Einlesen von Eingängen, Verarbeitung der Programmlogik und Ausgabe der Ergebnisse
  • Modularer Aufbau: Basis-CPU mit erweiterbaren I/O-Modulen
  • Programmierung nach IEC 61131-3: Standardisierte Programmiersprachen wie Ladder Diagram (LD), Function Block Diagram (FBD), Structured Text (ST), Instruction List (IL) und Sequential Function Chart (SFC)

Industrielle Kommunikationshardware

Die Vernetzung industrieller Systeme erfordert spezielle Kommunikationshardware:

  • Feldbus-Interfaces: Für traditionelle industrielle Kommunikationssysteme wie PROFIBUS, CANopen, DeviceNet
  • Industrial Ethernet-Switches: Robuste, managementfähige Netzwerkkomponenten für industrielle Ethernet-Varianten wie PROFINET, EtherCAT, EtherNet/IP
  • Protokollkonverter: Zur Verbindung unterschiedlicher Kommunikationssysteme
  • Gateway-Systeme: Für die Anbindung an übergeordnete IT-Systeme oder Cloud-Plattformen

Vergleich industrieller Computerplattformen

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über gängige industrielle Computerplattformen und ihre typischen Einsatzgebiete:

Plattformtyp Hauptmerkmale Typische Anwendungen Vorteile Nachteile
Industrielle PC (IPC) x86-Architektur, Windows/Linux HMI, Datenvisualisierung, Edge Computing Hohe Rechenleistung, Kompatibilität mit Standardsoftware Höherer Stromverbrauch, größere Bauform
Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) Proprietäre CPUs, Echtzeit-OS Maschinensteuerung, Prozessautomatisierung Äußerst zuverlässig, deterministische Reaktionszeiten Begrenzte Rechenleistung, höhere Kosten
Industrielle Embedded-Systeme ARM/RISC-Prozessoren, Linux/RTOS Dezentrale Intelligenz, IoT-Gateways Kompakte Bauform, niedriger Stromverbrauch Eingeschränkte Erweiterbarkeit
Soft-SPS Software-SPS auf IPC-Hardware Hybride Steuerungs-/Visualisierungssysteme Flexibilität, Kosteneffizienz Abhängigkeit vom Betriebssystem
Edge Controller Kombinierte SPS/IPC-Architektur Industrie 4.0-Anwendungen, Datenanalyse Vereint SPS-Zuverlässigkeit mit IPC-Rechenleistung Höhere Komplexität, Spezialisierung erforderlich

Industrielle Betriebssysteme und Software <a name=”betriebssysteme-und-software”></a>

Die Software-Infrastruktur industrieller Rechnersysteme unterteilt sich in Betriebssysteme und Anwendungssoftware, beide mit spezifischen Anforderungen für den industriellen Einsatz.

Betriebssysteme

Im industriellen Umfeld kommen verschiedene Arten von Betriebssystemen zum Einsatz:

Echtzeit-Betriebssysteme (RTOS)

Echtzeit-Betriebssysteme garantieren deterministische Reaktionszeiten und sind essenziell für zeitkritische Anwendungen. Beispiele sind:

  • VxWorks: Ein weit verbreitetes kommerzielles RTOS mit hoher Zuverlässigkeit
  • FreeRTOS: Open-Source RTOS für eingebettete Systeme
  • QNX: Microkernel-basiertes RTOS mit hoher Stabilität, besonders im Sicherheitsbereich
  • RTLinux: Echtzeiterweiterungen für den Linux-Kernel

Industrielle Linux-Varianten

Speziell gehärtete und konfigurierte Linux-Distributionen bieten eine gute Balance zwischen Offenheit und industriellen Anforderungen:

  • Debian Industrial: Langzeit-Support und hohe Stabilität
  • Ubuntu Core: Für IoT- und Edge-Computing-Anwendungen
  • Yocto Project: Framework zur Erstellung angepasster Linux-Systeme

Windows-basierte Systeme

Microsoft bietet spezialisierte Windows-Varianten für industrielle Anwendungen:

  • Windows 10 IoT Enterprise: Langzeitverfügbarkeit, eingeschränkte Update-Zyklen
  • Windows Embedded: Ältere Embedded-Plattform mit langer Supportdauer

Industrielle Anwendungssoftware

SCADA-Systeme

SCADA (Supervisory Control and Data Acquisition) Systeme dienen zur Überwachung und Steuerung industrieller Prozesse:

  • Visualisierung: Grafische Darstellung von Anlagenzuständen
  • Alarmmanagement: Erkennung und Meldung kritischer Zustände
  • Trending und Historisierung: Aufzeichnung und Analyse von Prozessdaten
  • Rezepturverwaltung: Verwaltung von Produktionsparametern

Bekannte SCADA-Systeme sind WinCC (Siemens), FactoryTalk (Rockwell), Ignition (Inductive Automation) und Zenon (Copa-Data).

SPS-Programmierung

Die Programmierung von SPS erfolgt nach dem Standard IEC 61131-3 mit folgenden Sprachen:

  • Ladder Diagram (LD): Grafiksprache, ähnlich elektrischen Schaltplänen
  • Function Block Diagram (FBD): Blockdiagramme für signalflussbasierte Programmierung
  • Structured Text (ST): Hochsprache ähnlich Pascal
  • Instruction List (IL): Assembler-ähnliche Textsprache
  • Sequential Function Chart (SFC): Für Ablaufsteuerungen und Zustandsautomaten

Manufacturing Execution Systems (MES)

MES-Software verbindet die Produktionsebene mit der Unternehmensebene und bietet:

  • Auftragsmanagement: Planung und Verfolgung von Produktionsaufträgen
  • Ressourcenmanagement: Verwaltung von Maschinen, Material und Personal
  • Qualitätssicherung: Überwachung von Produktqualität und Prozessparametern
  • Erfassung von Betriebsdaten: Sammlung von Produktions- und Maschinendaten

Industrielle Software-Trends

Aktuelle Entwicklungen in der industriellen Software umfassen:

  • Containerisierung: Docker und Kubernetes für flexible Softwareverteilung
  • Microservices: Modulare Softwarearchitekturen für bessere Skalierbarkeit
  • OPC UA: Herstellerunabhängiger Kommunikationsstandard für industrielle Daten
  • Low-Code/No-Code-Plattformen: Vereinfachte Anwendungsentwicklung ohne umfangreiche Programmierkenntnisse

Kommunikationsprotokolle und Netzwerke <a name=”kommunikationsprotokolle”></a>

Die Kommunikation zwischen industriellen Rechnersystemen und anderen Komponenten erfolgt über spezialisierte Protokolle und Netzwerke, die auf die besonderen Anforderungen der Industrieautomation zugeschnitten sind.

Traditionelle Feldbusse

Feldbusse sind spezialisierte Kommunikationssysteme für die industrielle Automation, die bereits seit den 1980er Jahren eingesetzt werden:

  • PROFIBUS: Weit verbreiteter Feldbus, insbesondere in Europa
  • CANopen: Flexible Lösung für Maschinen- und Anlagensteuerung
  • DeviceNet: In Nordamerika stark verbreitetes System
  • Modbus: Offener Standard mit breiter Akzeptanz, besonders für einfache Anwendungen
  • AS-Interface: Für die unterste Feldebene (Sensoren/Aktoren)

Industrial Ethernet

Moderne industrielle Kommunikation basiert zunehmend auf Ethernet-Technologie, ergänzt um industriespezifische Erweiterungen:

  • PROFINET: Siemens-entwickelter Standard mit Echtzeitfähigkeit
  • EtherCAT: Hochperformante Lösung für Motion Control
  • EtherNet/IP: In Nordamerika verbreiteter Standard
  • Powerlink: Offenes Echtzeit-Ethernet
  • Sercos III: Speziell für Antriebstechnik

Vergleich industrieller Netzwerke

Die folgende Tabelle vergleicht die wichtigsten Eigenschaften moderner industrieller Netzwerke:

Protokoll Zyklus­zeiten Topologie Anzahl Teilnehmer Hauptanwendungen Marktposition
PROFINET IRT < 1 ms Linie, Stern, Ring > 1.000 Fabrikautomation, Motion Führend in Europa
EtherCAT < 0,1 ms Linie, Baum > 65.000 Motion Control, CNC Starker Zuwachs weltweit
EtherNet/IP 10 ms Stern, Ring Unbegrenzt Prozessautomatisierung Führend in Nordamerika
Powerlink < 0,2 ms Linie, Stern, Ring 240 Maschinenbau Mittelgroßer Marktanteil
Modbus TCP > 10 ms Stern Unbegrenzt Einfache Automation Weit verbreitet, älterer Standard

Drahtlose Kommunikation in der Industrie

Mit zunehmender Flexibilisierung gewinnen drahtlose Technologien an Bedeutung:

  • WLAN/Wi-Fi: Für nicht-zeitkritische Anwendungen
  • Bluetooth/BLE: Für kurze Distanzen und geringe Datenraten
  • 5G: Nächste Generation der Mobilfunktechnologie mit industriellen Anwendungsprofilen
  • LoRaWAN/NB-IoT: Für energieeffiziente Sensorik über weite Distanzen

Industrielle Kommunikationsprotokolle

Auf höheren Ebenen der Kommunikation haben sich bestimmte Protokolle etabliert:

  • OPC UA (Unified Architecture): Herstellerübergreifender Standard für den Datenaustausch
  • MQTT: Leichtgewichtiges Protokoll für IoT-Anwendungen
  • AMQP: Advanced Message Queuing Protocol für zuverlässige Nachrichtenübermittlung
  • DDS (Data Distribution Service): Für datenzentrischen Echtzeit-Datenaustausch

Netzwerksicherheit in der Industrie

Mit zunehmender Vernetzung gewinnt die Absicherung industrieller Netzwerke an Bedeutung:

  • Segmentierung: Trennung von IT- und OT-Netzwerken
  • Industrielle Firewalls: Spezialisierte Sicherheitslösungen für Industrieprotokolle
  • VPN-Technologien: Für sichere Fernwartungszugänge
  • NAC (Network Access Control): Kontrolle und Überwachung von Netzwerkzugriffen

Echtzeit-Datenverarbeitung in der Industrie <a name=”echtzeit-datenverarbeitung”></a>

Die Verarbeitung von Daten in Echtzeit ist ein zentrales Element industrieller Rechnersysteme und unterscheidet sich fundamental von Standard-IT-Anwendungen.

Grundlagen der industriellen Echtzeit

Im industriellen Kontext unterscheidet man verschiedene Arten von Echtzeit:

  • Harte Echtzeit: Garantierte Reaktionszeiten, deren Überschreitung schwerwiegende Folgen hat (z.B. Sicherheitssysteme)
  • Weiche Echtzeit: Reaktionszeiten werden typischerweise eingehalten, gelegentliche Überschreitungen sind tolerierbar
  • Feste Echtzeit: Konstante Verarbeitungszeiten sind wichtiger als minimale Latenz (z.B. Medienverarbeitung)

Typische Echtzeitanforderungen in der Industrie reichen von Mikrosekunden (Antriebsregelung) bis zu Sekunden (Prozessvisualisierung).

Echtzeit-Datenerfassung

Die Erfassung von Prozessdaten erfolgt über:

  • Analogeingänge: Messung physikalischer Größen wie Temperatur, Druck, etc.
  • Digitaleingänge: Erfassung von Zuständen (ein/aus)
  • Encodersysteme: Präzise Positions- und Geschwindigkeitsmessung
  • Industrielle Kameras: Bildverarbeitung und optische Qualitätskontrolle
  • Bussysteme: Direkte Kommunikation mit intelligenten Feldgeräten

Echtzeit-Datenverarbeitung

Die Verarbeitung der erfassten Daten erfolgt auf verschiedenen Ebenen:

  • SPS-Verarbeitung: Zyklische Abarbeitung von Steuerungsprogrammen
  • Motion Control: Hochfrequente Regelung von Antrieben
  • Echtzeit-Signalverarbeitung: Filterung, Transformation und Analyse von Signalen
  • Machine Vision: Bildverarbeitung für Qualitätskontrolle und Roboterführung
  • Prozessregelung: Kontinuierliche Regelung physikalischer Prozesse

Deterministische Datenübertragung

Für Echtzeitanwendungen sind deterministische Kommunikationswege essentiell:

  • Industrielles Echtzeit-Ethernet: Garantierte Übertragungszeiten durch spezielle Mechanismen
  • Isochroner Datenaustausch: Synchronisierte Übertragung in festen Zeitintervallen
  • Time-Sensitive Networking (TSN): IEEE-Standards für deterministische Ethernet-Kommunikation
  • Redundante Netzwerke: Ausfallsichere Kommunikationswege

Industrial Internet of Things (IIoT) <a name=”industrial-internet-of-things”></a>

Das Industrial Internet of Things (IIoT) repräsentiert die Integration von IoT-Technologien in industrielle Umgebungen und bildet eine Kernkomponente der Industrie 4.0.

IIoT-Architektur

Eine typische IIoT-Architektur umfasst mehrere Schichten:

  1. Sensorebene: Erfassung von Prozess- und Maschinendaten
  2. Edge-Ebene: Lokale Vorverarbeitung und Filterung von Daten
  3. Netzwerkebene: Sichere Übertragung der Daten
  4. Plattformebene: Speicherung, Analyse und Visualisierung der Daten
  5. Anwendungsebene: Geschäftsorientierte Nutzung der Daten

IIoT-Technologien

Wichtige technologische Bausteine des IIoT sind:

  • Intelligente Sensoren: Mit eigener Verarbeitungskapazität und Kommunikationsfähigkeit
  • IoT-Gateways: Verbindung zwischen OT (Operational Technology) und IT-Netzwerken
  • Cloud-/Edge-Computing: Flexible Verteilung der Rechenleistung
  • Digitale Zwillinge: Virtuelle Abbilder physischer Systeme
  • Datenanalyse und KI: Extraktion von Mehrwert aus Maschinendaten

IIoT-Protokolle

Für die Kommunikation im IIoT haben sich spezifische Protokolle etabliert:

  • MQTT: Message Queuing Telemetry Transport, leichtgewichtiges Publish/Subscribe-Protokoll
  • OPC UA: Umfassendes Framework für industriellen Datenaustausch
  • AMQP: Advanced Message Queuing Protocol für zuverlässige Nachrichtenübermittlung
  • CoAP: Constrained Application Protocol für ressourcenbeschränkte Geräte

IIoT-Anwendungsfälle

Typische Anwendungen von IIoT in der Industrie sind:

  • Predictive Maintenance: Vorhersage von Wartungsbedarf basierend auf Zustandsdaten
  • Asset Tracking: Verfolgung und Management von Produktionsmitteln
  • Energiemanagement: Optimierung des Energieverbrauchs
  • Qualitätsüberwachung: Kontinuierliche Überwachung von Produktqualität
  • Remote Monitoring: Fernüberwachung von dezentralen Anlagen

Edge Computing in der industriellen Fertigung <a name=”edge-computing”></a>

Edge Computing verlagert Datenverarbeitung an den “Rand” des Netzwerks, nahe an die Datenquellen. Diese Architektur bietet entscheidende Vorteile für industrielle Anwendungen.

Grundlagen des industriellen Edge Computing

Edge Computing in der Industrie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Dezentrale Verarbeitung: Datenverarbeitung nahe am Entstehungsort
  • Reduzierte Latenz: Minimale Verzögerungen für zeitkritische Anwendungen
  • Autonomie: Funktionsfähigkeit auch bei unterbrochener Netzwerkverbindung
  • Datenreduktion: Vorverarbeitung und Filterung vor Übertragung an übergeordnete Systeme
  • Skalierbarkeit: Verteilung der Rechenleistung auf mehrere Einheiten

Technologien für industrielles Edge Computing

Moderne Edge-Computing-Lösungen in der Industrie basieren auf:

  • Edge Controller: Kombinierte SPS/IPC-Systeme mit erweiterter Rechenleistung
  • Edge Gateways: Spezialisierte Geräte zur Datenverarbeitung und -weiterleitung
  • Industrielle PCs mit Edge-Software: Standard-IPC mit spezieller Software-Stack
  • Embedded Edge-Devices: Kompakte, spezialisierte Systeme für spezifische Anwendungen

Edge-Architekturen

In der Praxis haben sich verschiedene Edge-Architekturen etabliert:

  • Local Edge: Verarbeitung direkt in der Maschine oder Anlage
  • Site Edge: Zentralisierte Edge-Verarbeitung auf Fabrik- oder Standortebene
  • Regional Edge: Zusammenführung mehrerer Standorte
  • Hierarchische Edge-Strukturen: Mehrstufige Ansätze mit verteilter Intelligenz

Edge-Analytics und KI

Ein Hauptanwendungsgebiet für Edge Computing ist die lokale Datenanalyse:

  • Streaming Analytics: Echtzeit-Analyse von Datenströmen
  • Machine Learning an der Edge: Lokale Ausführung von KI-Modellen
  • Anomalie-Erkennung: Frühzeitige Identifikation von Abnormalitäten
  • Computer Vision: Bildverarbeitung zur Qualitätskontrolle oder Prozessüberwachung

Edge-Cloud-Integration

Edge Computing existiert nicht isoliert, sondern in Kombination mit Cloud-Diensten:

  • Hybride Architekturen: Verteilung von Funktionen zwischen Edge und Cloud
  • Edge-Orchestrierung: Zentrale Verwaltung verteilter Edge-Ressourcen
  • Föderiertes Lernen: Verteiltes Training von ML-Modellen ohne zentrale Datenaggregation
  • Cloud-basierte Edge-Management-Systeme: Zentrale Konfiguration und Überwachung

Cybersicherheit industrieller Systeme <a name=”cybersicherheit”></a>

Mit zunehmender Vernetzung industrieller Systeme wird die Cybersicherheit zu einem kritischen Faktor. Industrielle Systeme haben spezifische Sicherheitsanforderungen, die sich von der Standard-IT unterscheiden.

Bedrohungslandschaft für industrielle Systeme

Industrielle Systeme sind mit spezifischen Bedrohungen konfrontiert:

  • Gezielte Angriffe auf kritische Infrastruktur: Staatlich unterstützte APT-Gruppen
  • Ransomware-Attacken: Erpressung durch Verschlüsselung oder Androhung von Datenlecks
  • Insider-Bedrohungen: Missbrauch von Zugriffsrechten durch eigene Mitarbeiter
  • Kompromittierung der Lieferkette: Angriffe über Software-Updates oder Hardware
  • Spionage und Diebstahl geistigen Eigentums: Exfiltration wertvoller Prozessdaten

Sicherheitsherausforderungen in OT-Umgebungen

Operational Technology (OT) stellt besondere Herausforderungen für die Cybersicherheit:

  • Legacy-Systeme: Ältere Systeme ohne moderne Sicherheitsfunktionen
  • Lange Lebenszyklen: Industriesysteme mit Laufzeiten von 15-20 Jahren
  • Verfügbarkeitsanforderungen: Produktionsunterbrechungen für Updates oft nicht akzeptabel
  • Proprietäre Protokolle: Oft ohne integrierte Sicherheitsmechanismen
  • Physische Auswirkungen: Potenzielle Gefährdung von Mensch und Umwelt bei Kompromittierung
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